archivierte Ausgabe 4/2014
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Rui Estrada / Teresa Martinho Toldy |
Der Vorrang der caritas – Programm für ein Pontifikat |
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„Es ist wie bei Maria: Wenn man wissen will, wer sie ist, fragt man die Theologen. Wenn man wissen will, wie man sie liebt, muss man das Volk fragen.”
Nach dem populären konservativen Papst Johannes Paul II. aus Polen (von dem man im Hinblick auf seine vielen Reisen die Pointe formuliert hat: „Gott ist überall, und der Papst war schon überall!”) und dem Intellektuellen und eifrigen Verfechter des Althergebrachten, den aus Deutschland stammenden Benedikt XVI., wurde der Argentinier Jorge Mario Bergoglio als Papst Franziskus zum obersten Repräsentanten der katholischen Kirche gekürt.
Das Programm seines Pontifikates erschließt sich für uns einmal aus dem Interview, das gleichzeitig in mehreren jesuitischen Zeitschriften veröffentlicht wurde, sowie aus seinem Apostolischen Scheiben (seinem ersten) Evangelii Gaudium, das seiner ausdrücklichen Absichtserklärung zufolge dieses Programm formuliert. Beginnen wir mit dem Interview.
Das Interview mit Antonio Spadaro SJ
Der zentrale Punkt und das Neue in diesem langen Gespräch mit dem Papst betrifft die Verhältnisbestimmung von Gottesglauben (Glaube an die Liebe Gottes) einerseits und den Menschen, die zu einer bestimmten Zeit und unter spezifischen Umständen leben, andererseits.
Die Begegnung mit Gott, die (einzige) „dogmatische Sicherheit” Bergoglios, wird nicht von rechtgläubigen theologischen Voreingenommenheiten bestimmt, sondern vollzieht sich auf einem unsicheren Weg, der schließlich das kontingente und geschichtliche Leben der Menschen in Gemeinschaft charakterisiert. Papst Franziskus weist jedes Ansinnen von sich, den Glauben zu einer abstrakten und nutzlosen Ideologie zu machen, und lässt die konkrete Situation im Licht des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter, an das er hier erinnert (Interview, 48), klar hervortreten. Das verkündete Wort ist von seinem Wesen her pragmatisch, wenn auch nicht einfach relativistisch, wie der Papst selbst betont:
„Unser Leben ist uns nicht gegeben wie ein Opernlibretto, in dem alles steht. Unser Leben ist Gehen, Wandern, Tun, Suchen, Schauen ... Man muss in das Abenteuer der Suche nach der Begegnung eintreten und in das Sich-suchen-Lassen von Gott, das Sich-begegnen-Lassen mit Gott. [...] Wenn der Christ restaurativ ist, ein Legalist, wenn er alles klar und sicher haben will, dann findet er nichts. [...] Wer heute immer disziplinäre Lösungen sucht, wer in übertriebener Weise die ,Sicherheit‘ in der Lehre sucht, wer verbissen die verlorene Vergangenheit sucht, hat eine statische und rückwärtsgewandte Vision.“ (Interview, 61–62)
Das hier beschriebene pragmatische Voranschreiten hat jedoch nur im Kontext einer Gemeinschaft Sinn, die von einer besonderen Sorge und einer besonderen Lebenserfahrung geprägt ist. Bergoglio kritisiert gerade diejenigen, die den Glauben einen „Experimentierfeld-Glauben” (Interview, 70) nennen. Damit ist ein Laboratorium, ein theologisch-ideologisches Gebäude gemeint, das in sich selbst abgeriegelt ist und von der unvermeidlichen Lebenserfahrung der Menschen unberührt bleibt.
Von wissenschaftstheoretischem Standpunkt aus wendet sich der Papst gegen eine Theorie, die immer dieselbe Diagnose stellt und immer dieselbe Therapie anwendet, angesichts vielfältiger Praktiken, die offensichtlich unterschiedlich sind und eine jeweils andere Behandlung erfordern. Die Konsequenz dieser ideologischen Blindheit ist, dass die Theorie auf einer bestimmten Entwicklungsstufe – man beachte, dass der Papst behauptet, die katholische Kirche befinde sich an diesem kritischen Punkt – nur innerhalb des geschlossenen Experimentierfeldes Sinn ergibt, wo sich ihre begeisterten und eifernden Verteidiger aufhalten. Dieses Denken steht dahinter, wenn der Papst sagt, die Kirche brauche Hirten und keine Funktionäre (Interview, 48–49). Kurz zuvor benutzt der Papst die Metapher von der Kirche als Feldlazarett, die noch erhellender ist:
„Ich sehe ganz klar [...], dass das, was die Kirche heute braucht, die Fähigkeit ist, Wunden zu heilen und die Herzen der Menschen zu wärmen – Nähe und Verbundenheit. Ich sehe die Kirche wie ein Feldlazarett nach einer Schlacht. Man muss einen Schwerverwundeten nicht nach Cholesterin oder nach hohem Zucker fragen. Man muss die Wunden heilen. Dann können wir von allem anderen sprechen. [...] Man muss ganz unten anfangen.“ (Interview, 47–48) [...]
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